Das Dreieck – Trikonasana

Beitrag von Karin Volkemer

Das stehende Dreieck  im Zusammenhang  mit der Weite des Raumes und einer Vorübung.

Vorübung: 

Nehmen Sie  einen weiten gegrätschten Stand ein, richten  Sie die Wirbelsäule in eine schöne vertikale Linie auf, dann führen Sie die Arme und Hände leicht und mühelos nach oben. So als wäre eine Zugkraft in den Fingerspitzen, die den Oberkörper in die Höhe zieht.

Als nächstes bilden die Arme die Form eines regelmäßigen Fünfecks über den Kopf. Gehen Sie nun auf Ihre Zehenspitzen und nehmen bewusst den oberen, tragenden Teil der Wirbelsäule wahr, wie auch die Regelmäßigkeit des gebildeten Fünfecks.

Die Schulterpartie bleibt  entspannt und der Kopf ist ruhig und wach. Es entsteht eine ruhige Empfindung im Herzen und gleichzeitig ein offenes Wahrnehmen der Umgebung.

Das Dreieck – Trikonasana

Im stehenden Dreieck wird die Wirbelsäule in einer sehr aktiven spannkräftigen Bewegung zur Seite hinausgewölbt:

Nehmen Sie einen beinlangen, gegrätschten, festen und aufrechten Stand ein; werden Sie sich dem dynamischen, bewegten Bereich in der Brustwirbelsäulenmitte auf Höhe des Sonnengeflechtes bewusst, die Schultern und der Kopf sind entspannt und wach.

Nachdem Sie den festen, stabilen Stand eingenommen haben, geben Sie  die Arme über den Kopf nach oben und senken den rechten Arm auf Schulterhöhe ab.

Jetzt heben Sie sich aus dem Sonnengeflecht heraus und führen den Oberkörper exakt zur rechten Seite. Die rechte Hand wird am rechten Bein nur angelegt, nicht abgestützt, der linke Arm bleibt gestreckt und nah am Kopf.

Hierbei wird die linke Flanke auf Höhe des Sonnengeflechts weit gedehnt und der Arm verlängert diese Bewegung in den Raum. Nach ein paar Sekunden kehren Sie wieder zurück und führen dieselbe Bewegung zur linken Seite aus.

Die Hüfte sollte dabei gerade bleiben und sich nicht nach vorne verdrehen. Ebenso sollten Sie darauf achten, dass Sie im Hüftbereich nicht abknicken sondern sich herausheben. Den Atem, das luftige Element, sollte der Übende möglichst frei und natürlich fließen lassen.

Die Stellung wird zu jeder Seite 3 mal ausgeführt unter Wahrung einer Leichtigkeit  des Atems und der Bewegungen, sowie eines weitest möglichen Hinausgleitens in den Raum.

                                                                                      

Personen mit Beeinträchtigungen in der Wirbelsäule, gehen vorerst vorsichtig geführt und nicht zu weit in die Stellung hinein.

Mit dieser Asana wird die Körpermitte, die Rumpfmuskulatur und der Brustwirbelsäulenbereich gestärkt und geformt.

Auch werden der Kreislauf, die Zirkulation des Blutes und  die der Lymphe angeregt. Eventuelle Blockaden können sich dadurch auflösen.
Der Atem kann in den gedehnten, geweiteten Brustraum, einströmen.

Das Zentrum, aus der die Stellung gestaltet wird, ist das Sonnengeflecht (Solarplexus) oder auch Manipura-cakra auf Höhe des Magens.

Es ist das Zentrum aller bewusstenWillenstätigkeit, das sich leicht wie die Luft herausheben und mit einer Weite entwickeln  soll.

Ebenso werden durch das  Zentrieren im Sonnengeflecht und dem darauffolgenden Ausdehnen  –  einem Weit-Werden der Flanken und des Brustkorbes aufbauendeLebenskräfte oder auch -energien, geschaffen.

Was ist wesentlich an der Stellung, um die Weite des Raumes zu erleben, zu empfinden?

Aufgrund der vorangegangenen Schilderungen haben Sie eine  Vorstellung und eine Zusammenfassung, wie die Asana aussieht,  sowie über ihre gesundheitlichen und regenerativen Wirkungen.

In einem ersten Schritt beginnen Sie damit Ihren Körper in einer gegliedertenWeise
bewusst wahrzunehmen:

Die Dreigliederung des Körpers:

  1. entspannte Schultern
  2. dynamischer, aktiver mittlerer Teil der Wirbelsäule auf Höhe des Magens und des Sonnengeflechts
  3. stabiler, fester Stand

                 

In einem nächsten Schritt, heben Sie sich aus dem Bereich des Sonnengeflechts (2) heraus und  beugen sich zur rechten Seite. Der rechte Arm wird am rechten Bein abgelegt.

Nun  wird die Flanke soweit wie möglichnach rechts gedehnt, der linke, obere Arm
zieht nach rechts in  Pfeilrichtung. Achten Sie darauf, dass die Schultern locker bleiben.

Der Brustkorb weitet sich und mehr Luftkann einströmen. Es entsteht mehr Raum im Körper.

Nach einem kurzen Ruhigwerden in dieser Position, richten Sie sich wieder leicht in die Ausgangsposition auf und wachsen auch hier nochmal nach oben aus dem Sonnengeflecht heraus (2).

Die Asana führt man dann noch ein weiteres Mal in die andere Richtung mit derselben Gliederungsweise aus. Jetzt kann sich schon ein erstes Gefühl der Weite überden Körper einstellen, da man den Körper durch das Wahrnehmen der einzelnen Körperglieder oder auch -bereiche,  selbst odereigenaktiv führen und lenken kann.
Ein Beispiel aus dem Bereich der Kunst zum Thema der Gliederung; wenn man die Farben gelb, rot und blau einzeln sieht, sind die Farben deutlich erkennbar, wenn sie gemischt werden, entsteht ein graubraun. Die Farben sind dann einzeln nicht mehr unterscheidbar und können dann nicht mehr gezielt eingesetzt werden, um ein aussagekräftiges Bild darzustellen.

Nachdem nun die Dreigliederung  des Körpers gut ins Erleben gekommen sein dürfte steht  die Beantwortung folgender Frage aus: Wie erlebt/empfindet man eine Weite des Raumes während der Asana im Bewusstsein?

Die Dreigliederung, übertragen auf das Bewusstsein ergibt 3 Bewusstseinskräfte:

  1. das Denken (leicht und frei)
  2. das Fühlen(empfindsam, empfangend)
  3. das Wollen (das Tun/ Umsetzen).

Bevor Sie in die Asana gehen, stellen Sie sich vor, wie Ihr Körper sich in den Raum bewegt, in Beziehung geht mit dem Raum. Sie spüren also nicht nur Ihren eigenen Körperraum, sondern entdecken einen neuen Raum, in den Sie sich hineinbewegen, nehmen den neuen Raum wahr. Sie wachsen in den Raum hinein und können sich sogar noch ein weiteres Hinausdehnen (über die derzeitigen körperlichen Möglichkeiten hinaus) vorstellen.

Hierdurch weitet sich nicht nur auf der physischen Ebene der Brustkorb, sondern es weitet sich auch das Empfinden für neue Räume und Möglichkeiten, in die man hinein wachsen und in denen man sich ausdehnen kann. Mit der Weite eröffnet sich auch eine Art seelischer Raum, der neue Möglichkeiten als realisierbar erscheinen lässt.
Dieses Erleben von neuen Räumen und Möglichkeiten, die sich auftun, feuern wiederum den Willen/ das Tun an.

Wichtig ist, dass man geordnet vorgeht, um eine Weite, die in der Stellung erzeugt werden soll, auch tatsächlich entstehen zu lassen.  Man lässt sich Zeit, um gut die einzelnen Bewusstseinskräfte wahrzunehmen, beobachten, um diese dann gezielt zu führen.

Eine Weite entsteht nicht dadurch, dass man beim Körper ansetzt, hier würde man wahrscheinlich in einer gewissen Enge bzw. Fixierung stehen bleiben; es ist auch kein leistungsorientiertes Erreichen-Wollen der Stellung; Weite kann nicht aus dem Körper alleine geschaffen werden, sondern sie muss über die Vorstellung gedacht, gefühlt und dann umgesetzt werden. Die Weite kommt dann von außen.

Das was man hier in dieser Asana erlebt oder lernt, lässt sich auch gut auf das soziale Leben übertragen.

Man kann grundsätzlich davon ausgehen, dass jeder Mensch lernen, reifen und sich entwickeln möchte, auch möchte er normalerweise Harmonie und in Verbindung mit seinen Mitmenschen sein.

Trikonasana steht  für die Darstellung eines entwicklungsfreudigen, sich immer weiter öffnenden  Raumes für die eigene Persönlichkeit, für das Umfeld, die Mitmenschen und die Natur.
Es ist ein interessiertes, offenes, empfindsames und lernfreudiges nach Außen in Beziehung treten. Das Umfeld wird wahrgenommen mit Wünschen oder Zielen,  in Abstimmung zu eigenen Zielen und Wünschen, unter Wahrung und Respekt eines freien Raumes für jeden.

Man denkt vom Ziel/Ideal (im Außen) her – nicht aus einer persönlichen „Innenansicht“.

Eine Auseinandersetzung mit dieser Stellung und auch ihrer Umsetzung auf das alltägliche Leben, steigert die Beziehungsfähigkeit, ordnet die Gefühle und gibt ein aufbauendes Herzempfinden.

Der beliebte Satz „Bleib so wie Du bist“  ist zwar vielleicht nett gemeint, steht allerdings der Entwicklungsfrage des Einzelnen entgegen.

„Die Raumfrage in seelischer Hinsicht korrespondiert nahe mit der Entwicklungsfrage und ihren freiheitlichen Bedingungen.“ (Zitat Heinz Grill, Seelendimension S. 47)

Förderlich entwickeln kann ein Mensch sich nur, wenn er genügend Raumzur Verfügung hat. Genauso wie eine Pflanze nur gut gedeihen kann, wenn sie ausreichend  Raum, Licht, Nährstoffe und Wasser bekommt.

Insofern kann man dieses Bild anwenden als Vergleich, dass auch ein Mensch sich nur förderlich entwickeln kann, wenn er von seinen Mitmenschen den Raum dafür gewährt bekommt.

Als Kind wird man geprägt von Eltern, Lehrern, seinem Umfeld, als Erwachsener jedoch, hat man die Möglichkeiten die gegebenen Prägungen, eigenen oder fremden Glaubensätze („….das wurde immer schon so gemacht“), oder auch Traumen, die man erfahren hat, selbst zu hinterfragen und objektiv anzusehen.

Man kann persönliche Angelegenheiten neu oder auch anders denken. Was möchte man bei sich selbst entwickeln? Was gibt es für Ziele und Wünsche? Wo begrenze ich mich selbst in der Entwicklung? Wo begrenze ich Andere?

Durch das Lernen von neuen Fähigkeiten, z.B. das Erlernen einer Sprache kann Neues von Außen zum Eigenen werden. Es  kann  Entwicklung und Öffnung für Neues entstehen  – man hebt sprachliche Begrenzungen auf und erweitert einen (Kommunikations-) Raum.

Nochmal zusammengefasst sei betont, dass die Weite ein Ergebnis ist von vorangegangenen Tätigkeiten  unter Wahrung des freien Raumes für andere, die der Übende leistet. Weite schaffen die Menschen verstärkt auch im Miteinander.

  • Der Gedanke/das Ziel /Ideal/Asana
  • die Empfindung
  • der Körper

(Dies ist ein  geordneterWeg von Oben nach unten, oder auch von einem Feineren zu einem Gröberen.)

Literaturhinweise: Heinz Grill  – Die Seelendimension des Yoga -praktische Grundlagen zu einem spirituellen Übungsweg